Samstag, 12. März 2016

Lang Lang ist's her

Gerade ist es noch dunkel, doch als er die Tür öffnet, fällt ein langer Lichtstrahl quer durch den Raum.  Staub tanzt seinen Reigen hindurch, huscht davon, sobald er den Raum betritt.
Fast acht Jahre ist es her, seit der junge Xellsbeer hier hauste. Ein Wesen, das mit dem Xellsbeer von heute so viel zu tun hat wie ein Wolf mit einem Zwergpinscher. Wie ein Piratensäbel mit einem Buttermesser.
Damals das ungezähmte wilde Raubtier immer auf der Suche nach Beute, hungrig nach Abenteuern und für jeden Unfug zu haben. Und heute der zahme Pantoffelxellsbeer. Allenfalls auf der Suche nach einem späten Vesper oder Betthupferle im Kühlschrank, zu müde um auch nur an irgendwelche Abenteuer zu denken, eher noch davon zu träumen. Ein wenig älter, ein wenig dicker, ein wenig behäbiger und um viele Erfahrungen reicher, steht er nun hier und beginnt sein früheres Leben zusammen zu packen.  Teil um Teil wandert in Kisten. Erinnerung um Erinnerung kehrt zurück um sogleich wieder von der nächsten verdrängt zu werden. Kiste um Kiste verlässt die Höhle um in Zukunft auf dem Speicher der neuen Version seines Lebens vor sich hin zu altern.
Als die Höhle ganz geräumt ist, blickt er noch einmal wehmütig zurück. Was war das doch für eine tolle Zeit. Er wünscht sich für einen Augenblick zurück. Da überfällt ihn ein Gefühl. Ein Was-weiß-ich-was.  Eine Ahnung,  dass das Leben von damals nicht mehr zu unserm Xellsbeer passt, wie sein alter Ausgehanzug von damals, mit dem scheckigen Muster.  An der Brust viel zu eng, zwickend im Schritt und der Stoff hat schon damals immer so gekratzt. Eine Ahnung, dass der Xellsbeer von damals vielleicht doch nicht ganz so wild war und der Xellsbeer von heute vielleicht doch nicht so ganz zahm?

Liebe Anke

Liebe Anke,

feige hast Du dich aus meinem (Arbeits)leben gestohlen. Du hast mich verlassen. Alleine gelassen. Ohne auch nur einen letzten gehässigen Gruß des Abschieds. Hattest keinen Gedanken an eine letzte Boshaftigkeit oder wenigstens einen bösen Blick aus deinen vom Alkohol wässrig gewordenen Augen für mich übrig.
Wir waren doch so gute Feinde. Hatten unsere täglichen Rituale. Unserer kleinen Momente die uns den Arbeitsalltag versüßten. Wie soll es nun werden ohne deine kleinen Nicklichkeiten schon am frühen Morgen. Wie werde ich es vermissen, daß mein Stundenzettel täglich nach hinten gewandert ist, obwohl mein e vor deinem l einzuordnen gewesen wäre. Ich traue mich nicht mir vor zu stellen wie es werden soll, wenn Du mir nicht mehr einen deiner brennenden, ja sogar tötenden Blicke über den Pass schicken kannst, der mir auch in 15 Meter Entfernung noch den kalte Schauer den Rücken hinunter jagt so daß ich mich sofort zu Dir umdrehen muß. Nie mehr dein straßenköterfarbenes Haar, das nur du so einzigartig pekinesengleich tragen konntest belächeln, nie mehr deinen ganz speziellen Duft aus Rotwein und Nikotin erleiden zu dürfen macht mich traurig, hilflos, ja läßt mich am Sinn meines Daseins zweifeln. Welchen Grund könnte es für mich noch geben täglich zur Arbeit zu gehen. Wozu die Mühen des Weges auf mich nehmen, wenn doch der einzige Grund zu existieren nicht mehr da ist. Nie mehr dein eisiges Schweigen als Antwort auf mein fröhliches "guten Morgen". Kein gehässiges Grinsen, wenn mir wieder ein mal ein Fehler unterläuft.
Was soll nur aus all deinen Vasallen werden, die Du immer mit eiserner Hand zum Rauchen geführt hast damit sie auch ja keine Gelegenheit haben sich gegen Dich zu verbünden oder auch nur den Hoffnungsschimmer auf ein besseres Leben ihr eigen nennen könnten. Sie werden nun elendig dahinsichen und bald eingehen, nun da sie deiner unbarmherzigen Knute beraubt und führeungslos in unserem Betrieb umherirren, auf der Suche nach jemandem der sie grob bei Seite stößt oder endlich wieder einmal zur Schnecke macht . Doch dieses Unterfangen ist aussichtslos, denn keiner wird je deine Gnadenlosigkeit oder Verachtung auch nur ansatzweise zelebrieren können. Mir graut davor was aus diesen jungen hübschen Dingern werden wird, die hoffnungsvoll zu Dir aufgesehen haben, in der Hoffnung zumindest mit Verachtung geschlagen zu werden.
Nein liebste Anke so hätte es nicht kommen dürfen. Dein Ende kam so plötzich und unvorhersehbar für mich, daß ich mich fühle, als wäre mir das Herz herausgerissen oder doch zu mindest der Teil der für all das schlechte in mir zuständig ist. Werde ich jemals wieder jemanden so hassen können? Jemanden von tiefstem Herzen nur das Schlechteste wünschen. Ich glaube nicht. Die Gefühle die Du im Stande warst in mir zu wecken gehören Dir. Sie werden uns für immer bleiben in unseren Gedanken und Träumen. Dort werden wir uns glücklich wiedervereint begegnen. Unsere Albträume werden uns zusammenführen und uns schweißgebadet aufwachen lassen. Schreiend und weinend in sehnendem Verlangen.
In diesen Gedanken schreibe ich Dir diesen Abschiedsbrief und wünsche Dir aus tiefstem Herzen nur das Schlechteste und die Pest.
Dein dich sehnlichst vermissender
Xellsbeer